Buchprobe zum Thema Geschwindigkeit bei M&A-Prozessen (aus „ÜberLeben in der Gleichzeitigkeit: Leadership in der Organisation N.N.“):
„IN THE END, YOU NEED TO BE FAST TO BE GOOD… AND GOOD TO BE FAST!“
Nein, dieses Zitat stammt nicht von einem Sporttrainer, Spitzenathleten oder Formel I-Piloten, sondern aus einem Spezial-Bulletin über Post-Merger-Integrationsprozesse aus der Feder eines der weltweit tonangebenden „Big Four“ Wirtschaftsprüfungskonzerne.
Und ja, die Rede ist davon, dass der Schlüssel zum Integrationserfolg rasches Handeln, mutige Führung und entschlossenes Entscheiden ist.
Ja. Klar. Ist ja nichts Neues, sondern Alltag in jedem Unternehmen: egal wie, rasch muss es gehen!
Speziell nach einem Merger, wo letztlich EBIT-Kennzahlen auf dem Spiel stehen und ein Vorstand, der Einsparungen angekündigt hat, rasche Umsetzungserfolge erwartet. Der Wettbewerb schläft ja auch nicht, also: Einfach nur schnell ist zu wenig. Schneller als die Konkurrenz, und das 24/7, das ist… – überlebenswichtig? Oder einfach nur eine viel zu selten hinterfragte Gewohnheit?
Nehmen wir uns doch gegen alle Gewohnheit fünf Minuten, um über Wert und Unwert von Geschwindigkeit um jeden Preis zu reflektieren. Das Thema „Integration nach einem Merger“ bietet sich als ideales Modell für die Betrachtung der Risiken und Chancen an:
Die Chancen des hohen Tempos liegen auf der Hand: beschleunigtes Erreichen der Synergieziele, Vermeidung von langen Diskussionen, abgekürzte Beschäftigung mit sich selbst und rasche Rückkehr zur Normalität des Tagesgeschäftes, auch die Gerüchteküche bleibt kalt, denn über Nacht wird Klarheit geschaffen… – ist doch ideal, oder?
Nun ja. Ignorieren wir wirklich die unleugbaren Risiken und Nebenwirkungen? Sie sind nämlich durchaus massiv:
• Massiver Integrationsdruck provoziert Widerstände und kann zu stiller Kündigung und langfristiger Obstruktion führen.
• Überhasteter Personalabbau könnte wesentliche Wissensressourcen vernichten und Synergien beeinträchtigen.
• Eine Überhitzung in der ohnehin kritischen Merger- Phase hat das Potenzial, eine ganze Organisation in den Burnout zu stürzen.
Und nimmt man sich nicht die Zeit, die Betroffenen durch ein glaubwürdig positive Vision in eine produktivere, schönere Zukunft mitzunehmen, so verschenkt man den wichtigsten Treibstoff jedes Erfolges – die Begeisterung.
Mutige Führung nimmt dies zur Kenntnis und weiß, dass Speed weder ein Allheilmittel noch ein Selbstzweck ist. Wieder einmal geht es nicht um ein entweder-oder, sondern um ein sowohl-als-auch, und bei allem Druck von oben, außen oder sonstwo ist Speed mehr und nicht weniger als eine weitere Stellgrösse, die es zu managen gilt. Mutige streben nicht nach „Geschwindigkeit um jeden Preis“, sondern pflegen einen ausgesprochen achtsamen Umgang mit dem Tempo der Entwicklung. Wissend, dass es keine „richtige“ oder „ideale“ Geschwindigkeit für Integrationsprojekte gibt, bedient sie Gaspedal und Bremse oft synchron, denn die eine „richtige“ oder „ideale“ Geschwindigkeit existiert nicht, benötigt werden gleichzeitig mehrere „ideale“ Geschwindigkeiten.
Eine Welt, in der mehrere Geschwindigkeiten synchronisiert laufen, organisiert man am besten folgendermaßen:
Am Beginn steht die Liste der Themen, die zu bewältigen sind, samt einem Chancen- und Risikoassessment und einer Kategorisierung nach mehreren Faktoren:
• Dringlichkeit: gibt es eine – durch externe Faktoren – beeinflusste Terminabhängigkeit?
• Wichtigkeit: wie hoch ist eine mögliche Auswirkung von Erfolg/Misserfolg auf das Unternehmensergebnis?
• Vorentscheidung: wie viel der Umsetzung ist bereits beschlossene Sache?
• Mitgestaltung: wie frühzeitig und wie weit sollen wir die betroffenen Personen in den Prozess involvieren?
• Emotionalität: Wie emotional ist das Thema bei den Mitarbeitern verankert?
In kritischen Bereichen wird man sich langes Zögern nicht leisten können. Das betrifft gewisse Schlüsselpersonalentscheidungen, Finanz- und Sicherheitsstandards, Reporting und ähnliche Themen. In anderen Bereichen wird man bewusst Geschwindigkeit herausnehmen müssen. Und wo auch bei genauer Analyse nicht feststellbar ist, wohin die Reise gehen soll, ist der Mut zum Loslassen gefragt. Manchen Dingen muss man einfach Zeit geben, um möglicherweise etwas Neues entstehen zu lassen.
Interesse am Buch: Info unter regele@sazun.net
Wolfgang Regele; Sazun GmbH